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hubert
hallo!

   Es ist Sonntagabend. Ich laufe über die Hohe Straße und bin auf dem Weg zu meiner Freundin Mareike, denn die hat einen Plasma Breitbild-Fernseher.

   Die Straße ist wie leer gefegt, denn heute läuft die letzte Folge der zweiten Staffel von
wespe - die killerlesbe!
   Anfangs sah es überhaupt nicht nach einem Erfolg aus: RTL hatte die Serie unter dem Titel "Ein Leben unter Frauen" als "gesellschaftspolitischen Beitrag" angelegt: Eine 40jährige gereifte Lesbe namens "Dagmar Wespe", von Beruf Sozialpädagogin, schlug sich mit ihrer Freundin durch den gleichgeschlechtlichen Alltag, Höhepunkt war der Versuch, ein Kind zu adoptieren. Mehrere Mitglieder von K.L.u.S.T. saßen im Medienbeirat, redeten in jedes Drehbuch rein und sorgten dafür, dass die Serie so wurde wie alles, was K.L.u.S.T. anpackte: inhaltlich ein Gähner, wirtschaftlich ein Flop.

hubert

   Verschämt schob RTL das Projekt in seinen zweitklassigen Schmuddelsender RTL II ab, um es dort diskret sterben zu lassen. Und dann geschah das Wunder: Ein BB Regieassistent von Endemol gesellte sich zum "Wespe" Produktionsteam und meinte: "Da kann man doch was draus machen."

   Über Nacht wurde die Schauspielerin geschasst und ersetzt durch eine rattenscharfe zwanzigjährige Schwarzhaarige mit riesigen Augenbrauen, geilen Titten und Naomi Campbell Figur. Die Sendung wurde in "Wespe - die Killerlesbe" umgetauft, und Wespe erschien ab sofort nur noch im hautengen, schwarz / gelben Latex-Kostüm, ihre Augen tricktechnisch gelb eingefärbt. Lt. Sender ist sie "halb Wespe, halb Lesbe". Vom Insektenvorbild weicht sie deutlich ab durch den Verlauf ihrer gelben Streifen, die sich rein zufällig Richtung Muschi zu verjüngen scheinen.

   In der ersten Folge der neuen Wespe wurde Wespes Freundin von Al Kaida Mitgliedern entführt und an einen Scheich in Dubai verkauft. Darauf ging Wespe zum ersten Mal nach 25 Jahren wieder in die Kirche (natürlich in den Kölner Dom) und schwor vor versammelter Sonntagsmesse "bei Gott", die Terroristen "bis in den letzten Winkel der Erde zu verfolgen" und "Auge um Auge" "Zahn um Zahn" zur Strecke zu bringen.

   Am nächsten Morgen zeigte sie erst mal ihrer iranischen Lehrer-Kollegin, wo der Hammer hängt. Mit einem Ruck riß sie ihr das Kopftuch vom Haupt: "Wir sind in Deutschland, Schätzchen!" Das war das Ende von Wespes sozialpädagogischer Laufbahn.

   Wespe ist jetzt Sonderagentin des BKA mit der "Lizenz zum Stechen" (außerhalb der EU darf sie auch schon mal ganze Städte einäschern, wenn es nötig ist). Entschlossen stellt sich Wespe dem internationalen Terrorismus. Das tut sie mit einer Leichtigkeit und Treffsicherheit, an der George W. Bush wohl seine helle Freude hätte. Lange Diskussionen sind ihre Sache nicht. Geiselnahmen beendet sie meist mit einem gezielten Schuss zwischen die Augen. Die Geiseln überleben wie durch ein Wunder (immer!) und werfen sich - dankbar heulend - in Wespes Arme. Wespe überrascht dann mit Kommentaren wie "Solange ein Mann noch weinen kann, ist diese Erde nicht verloren" - oder "Jede meiner lesbischen Freundinnen hätte das auch für dich getan".

   "Genau", pflichtet Mareike bei, "das hätte ich auch getan", und nimmt noch einen Schluck aus ihrer Flasche "Reissdorf" Kölsch. Ich nippe an meiner Cola.

   Es läuft gerade der Rückblick auf die letzte Folge, Wespe hat eine Geiselnahme im ICE Hamburg - Köln durch ein paar finale Rettungsschüsse beendet. Außerdem hat sie einen der islamisch-fundamentalistischen Attentäter als nebenberuflichen Transenstar im Hotel Timp entlarvt.

   Ich stelle mir Mareike als Wespe vor, was bei den eng sitzenden Augen, den schmalen Lippen, der Bubikopf Frisur und ihren flachen Titten nicht so ganz einfach ist. "Moment!" Mareike verschwindet aus dem Wohnzimmer.

   Ich schaue auf den Plasma-TV: "Oh Gott, jetzt betet sie wieder!" Wespe kniet im Kölner Dom vor 1000 Kerzen und betet, dass der Herrgott diesen Planeten mit ihrer Hilfe endlich sauber kriegen möge, befreit von "Terroristen, Massenmördern, Plutoniumschmugglern, Drogendealern, Politikern, Anwälten, Journalisten und all dem anderen Unrat dieser Welt".

   "Wie findest du das?" - Mareike steht plötzlich im schwarzen Lederrock vor mir, über der Brust ein schwarzes T-Shirt mit gelben Wespen Streifen. Ich verschlucke mich fast an meiner Cola. "Du siehst aus wie die Biene Maja auf Diät. Zieh' lieber wieder deine Latzhose und das Flanellhemd an", sage ich. Mareike schnupft und rauscht raus.

   Wespe wird auf dem Weg aus dem Kölner Dom von fünf Kung-Fu Kämpfern ihres Latino Gegenspielers Carlos angegriffen. Klassische Bruce Lee Szene.

   "Verpasse ich irgendwas?", tönt es aus Mareikes Schlafzimmer.

   "Wespe ist schwanger geworden", rufe ich und amüsiere mich, als Mareike halb angezogen ins Wohnzimmer eilt.

   In Wirklichkeit ist Wespe gekidnappt worden und jetzt in einer von Carlos entführten Boeing 747. Damit will Carlos in den Reichstag crashen und das ganze Parlament platt machen.

   "Um die Politiker ist es nicht schade", meint Mareike, "aber was ist mit der tollen Glaskuppel von Norman Foster?"

   Wespe liegt in der ersten Klasse des Flugzeugs gefesselt auf einer Streckbank - ihre prallen Brüste kommen mit dem exakt auf die Nippel gearbeiteten Halbschalen-Oberteil des Latex-Kostüms toll zur Geltung. Ein Fest für Hetis! Und für Mareike.

   Aber ich komme auch nicht zu kurz, denn Carlos ist eine scharfe Schnecke: kurze schwarze Haare, schwarze Maulfotze, böse braune Augen, 1,90m groß, die muskulöse Brust zeichnet sich durch's schwarze Seidenhemd ab, und die Beule in der schwarzen Tuchhose ist auch nicht zu verachten. Vielsagend reibt er mit seiner großen rechten Hand über den Schalldämpfer seiner Walter PPK. Dann sagt er irgendwas auf Spanisch - ich verstehe kein Wort und krieg' ne Latte. "Kleine Lady - du wirst sterben..." erscheint als Untertitel.

   Wespe faucht auf Norwegisch zurück - Mareike versteht kein Wort und stöhnt. "Wenn ich sterbe, werden 1000 Lesben für mich aufstehen und mich rächen", so der Untertitel.

   "Genau!" pflichtet Mareike bei. "Ich zeig' dir mal was". Sie rennt raus und kommt mit einer Pistole zurück, die (bis auf den Schalldämpfer) der von Carlos recht ähnlich sieht.

   "Wo hast du denn die her?", frage ich erstaunt.

   "Hat mir eine Freundin im Blue Lounge verkauft" - Sie geht drei Schritte zurück und richtet die Waffe auf meinen Genitalbereich. "Ich blas' dir das Gehirn weg!", tönt sie im Wespe-Jargon.

   "Ich bin kein Kerl. - Ich bin schwul.", verteidige ich mich.

   "Schwanz ist Schwanz", meint Mareike, und dann quengelnd "Biiiiitteeee - Hubbi, nur ein Schuss - vor deine Füße!"

   "Du bist verrückt!", sage ich, greife zur Schale mit den Chips (die fliegen im hohen Bogen durch die Gegend) und halte sie wie ein Schild vor mein bestes Stück.

   "Mit dir kann man überhaupt keinen Spaß haben", bemerkt Mareike vorwurfsvoll und legt die Waffe auf den Couchtisch.

   Wespe hat sich befreit, es beginnt eine fröhliche Schießerei im Cockpit. Im letzten Moment übernimmt sie die Kontrolle über den Flieger, der schrappt haarscharf am Reichstag vorbei, nimmt allerdings mit einem Flügel die halbe Glaskuppel mit. Unten im Parlament hält Schröder gerade eine Rede gegen den internationalen Terrorismus, während Tausende Glassplitter auf ihn niedergehen. (Natürlich hat Schröder sich selbst gespielt, bei Wespe aufgetreten zu sein, kann wahlentscheidend sein.)

   Ich versuche etwas Konversation: "Wieso ist Jenny eigentlich nicht hier? Die verpasst doch sonst keine Folge."

   Mareike wirft mir einen grimmigen Blick zu: "Ist gestern Abend im Blue Lounge mit 'ner anderen abgerauscht. Verficktes Drecksstück!"

   "Aber ihr habt euch doch immer super verstanden?"

   "Dachte ich auch bis gestern. Frag' mich lieber nichts mehr! Themawechsel!"

   Ich schaue betreten drein und lasse meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Mareikes Pistole liegt immer noch auf dem Couchtisch, in einem Meer von Kartoffelchips.

   "Mal ehrlich, die ist doch nicht wirklich geladen???"

   Mareike nimmt die Waffe, richtet sie auf die Decke und feuert mit ohrenbetäubender Lautstärke einen Schuss ab. Triumphierend sieht sie in mein blasses Gesicht. Ich starre auf das Loch in der Decke.

   "R u h e", kommt es vom Stockwerk drüber.

   Es ist die Schlüsselszene: Wespe hat in der 747 den Autopiloten eingeschaltet: Nun liegt Carlos gefesselt auf der Streckbank, mit nacktem Oberkörper, tollen Muskeln, schwarzen Brusthaaren wie gekämmt, beide Nippel steif, das Gesicht voller Schweißperlen, und immer noch diese arroganten Augen: Was für eine geile Drecksau !

   Wespe steht vor ihm und hält ein Skalpell in der rechten Hand. "Was glaubst du, was ich mit dir mache?", fragt Wespe süffisant.

   "Du bist ein deutscher Cop. Du wirst mir meine Rechte vorlesen."

   Wespe lacht.

   "Einen Dreck werde ich...", sagt Mareike.

   "Einen Dreck werde ich...", sagt Wespe.

   "Einen Dreck wird sie...", hauche ich und spüre meinen Ständer.

   Das Skalpell gleitet aus dem Bild, Wespes rechter Arm spannt sich, Carlos stößt einen markerschütternden Schrei aus.

   Wespe hält etwas leicht Blutiges vor Carlos Gesicht, was aussieht wie ein Hodensack mit besonders schönen, schweren Eiern. Carlos ist weiß wie die Wand und zischt etwas auf Spanisch. Untertitel: "Dafür wirst du bezahlen !"

   Ich liege baff in meinem Sessel. RTL II hat einen neuen Jünger gewonnen. "Das ist großes Kino!", muss ich anerkennen. Ob Patrick die Szene auf Video hat?

   Ich warte auf eine Reaktion von Mareike, doch die ist nicht mehr im Wohnzimmer.

   Ich schaue auf den Plasma-TV.

   Mareike sitzt mit ihrem Wespen-T-Shirt im Cockpit der Boeing 747 und winkt in die Kamera: "Mein Name ist Mareike Müller aus Köln City - und ich grüße alle, die mich kennen. Vor allem aber meine Freundin Jenny, die mich gestern Abend wegen einer billigen Schlampe im Blue Lounge einfach sitzen gelassen hat." Dann reißt sie ihr T-Shirt hoch, und unter den flachen Titten hat sie mit Lippenstift auf die Brust geschrieben "Jenny - ich liebe dich!"

   Ich drücke alle Knöpfe der Fernbedienung, es hilft nichts. Vom Sessel neben mir riecht es nach Männerschweiß. Carlos sitzt drin, splitternackt, in der rechten Hand hält er seinen abgetrennten Hodensack.

   "Leck' mir die Eier, Hubert", raunt er.

   Das ist das letzte Mal, dass ich mir RTL II und Speed zusammen rein pfeife.

gaykoelnhubert schreiben

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